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Die evangelische Kirche "St. Bonifatius" in Alsheim

Der Vorgängerbau dieser Kirche wurde bereits 831 erstmals in einer Schenkung des Kaisers Ludwigs des Frommen an Rabanus Maurus, den Abt des Klosters Fulda, erwähnt. In ihrer heutigen Form ist sie von außen als dreiteiliger Bau zu erkennen, der aus Turm, Schiff und Chor besteht. Der Turm hat eine quadratische Grundform und ist durch Gesimse in drei Geschosse untergliedert. Er hat eine wuchtige, wehrhafte Erscheinung.

Die Gliederungselemente (Eckverstärkungen, Rundbogenfriese, Gesimse) zeigen an, dass er im Umfeld der oberrheinischen Kaiserdome (Speyer, Worms, Mainz), die ähnliche Bauformen aufweisen, entstanden ist. Sein besonderes Merkmal ist aber das Dach: ursprünglich hatte er eine Kuppel wie St. Paul in Worms und die evangelischen Kirchen in Guntersblum und Dittelsheim und gehört damit zu den so genannten rheinhessischen Sarazenen- oder Heidentürmen.
 
Ein Blitzeinschlag zerstörte diese Kuppel wohl schon im 18. Jahrhundert. Sie wurde durch ein Zeltdach ersetzt. Noch gut erkennbar ist die Überleitung der viereckigen Form in achteckige und dann runde Formen durch Vorbauten (getreppte Giebel). Die Plattenabdeckungen auf den Giebeln wurden wohl später hinzugefügt

Als Inspiration für diesen auffälligen Kuppelabschluss wird die byzantinische Heiliggrabkirche in Jerusalem mit einem sehr ähnlichen, nach armenischen und islamischen Vorbildern konstruierten Turmabschluss angesehen, die der westlichen Welt durch den Kreuzzug und die Eroberung von Jerusalem im Jahr 1099 bekannt geworden war. Als Bauzeit wird für den Turm das 11. Jahrhundert angenommen, die Kuppel wurde kurz nach 1100 fertig gestellt.

Das Innere der Kirche stellt sich als Saalbau mit Chorquadrat und Turmhalle dar. Der Triumphbogen aus verschiedenfarbigen Sandsteinen und der Kämpferplatte mit Zahnschnittfries wurde 1992 von Restaurator Wurmdobler wieder entdeckt. Er wird auf die Zeit um 850 geschätzt und wäre somit als karolingischer Bauteil nicht nur das älteste Bauwerk in Alsheim, sondern auch eines der ältesten in Rheinhessen.

Das Wandgemälde im Kirchenschiff zeigt Reste einer zweizonigen Bemalung aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sie wurde 1874 entdeckt und restauriert, dann 1959 erneut gereinigt. Oben ist das „Martyrium der 10.000 am Ararat“ (drei im Dornengestrüpp hängende Märtyrer und Engel, die Seelen der Märtyrer aufnehmen) zu sehen, unten sind Szenen aus der Kindheit Jesu mit Joseph und zwei heiligen Königen zu erkennen.

Die Fenster im Kirchenschiff wurden im 19. Jahrhundert vergrößert, die Wände sind romanisches oder gotisches Mauerwerk. Im Chor ist der Grabstein von Oberschultheiß Gerhard Justus Jungkenn aus dem 18. Jahrhundert zu sehen, der 1822 bei der Vereinigung der reformierten und der lutherischen Kirche aus der lutherischen Kirche hierher gebracht wurde.

Auf dem im 19. Jahrhundert erweiterten Friedhof haben sich wie auf nur wenig anderen rheinhessischen Friedhöfen Grabsteine des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts erhalten, die zusammen mit der parkartigen Flora die Anlage zu einem außergewöhnlichen Ort der Besinnung machen.

Dr. Gunter Mahlerwein

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